Zu Steinböcken und Murmeltieren in die Seealpen
Herrliche Berglandschaften in mediteranem Klima und ein bischen Dolce Vita
Montag 24.6.2013
Wir bummeln durch den kleinen Ort Entraque.
Der Weg führt uns durch kleine Gassen und verschlungene Wege. Der Dom läd zur Besichtigung ein. Eine typisch katholische Kirche im barocken Stil. Innen riecht es intensiv nach Weihrauch. Es ist sehr dunkel und die Augen benötigen einen Augenblick, um sich an das Licht zu gewöhnen. An einer Säule entdecken wir einen in Stein gemeißelten römischen Soldaten. Was der hier zu suchen hat?
Wieder draußen in der Sonne mussten wir erst einmal einen Kaffee auf dem Markplatz trinken. Auf dem Rückweg zum Campingplatz kaufen wir Brot und Käse für das Abendessen ein. Da es noch nicht so spät ist beschließen wir eine Erkundungsfahrt mit dem Auto nach Santa Anna zu machen. Dieser Ort liegt in einem Nachbartal. Dort beginnt unsere Wanderung. Aber erst einmal zurück nach Entraque. Eine Nacht noch auf dem Campingplatz dort. Wir sind schon gespannt auf die nächsten Tage. Wie werden uns die Touren gefallen? Spielt das Wetter mit? An diesem Nachmittag war jedenfalls ein Gewitter.
Dienstag 25.6.2013
Wir sind morgens zeitig wach. Nach dem Frühstück wird eingepackt. Es geht aber nicht direkt nach Santa Anna,
wir unternehmen erst eine Wanderung von Entraque aus. Der Weg führt uns zur "Georgia della Raina". Wir stellen
das Auto am Ortseingang hinter der kleinen Kirche ab. Von dort führt der Weg hinter der Kirche und den Häusern
entlang und schon bald sind wir von grünen Wiesen umgeben. Der Abzweigung zum "Colletta della Lausa" folgen.
Es ging in Serpentinen durch lichten Wald mit Lärchen, Tannen und Kiefern den Berg hinauf bis zum Pass. Oben am Pass angekommen lädt ein altes verfallenes Haus ein Rast zu machen. Wir bleiben hier eine Weile, genießen die Ruhe des Waldes und die angenehme Luft. Vom Pass führt der Weg rechts hinunter durch den Wald. Die Abzweigung zum "Titi Stramondin" liegen lassen und nicht folgen. Bald kommen wir durch lichteren Wald und über Wiesen zum Eingang der Schlucht.
Die gesamte Schlucht ist begehbar. Sie erfordert allerdings Trittsicherheit und über einige Blöcke ist zu klettern. So geht es eine ganze Weile bergauf. Am Ende empfängt uns ein schöner Wasserfall. Das Wasser ist klar, sauber und frisch. Hier machen wir lange Pause und baden. Bis zum Eingang der Schlucht gehen wir wieder zurück. Hier liegen noch Schneereste und die Farne bahnen sich ihren Weg aus der Erde.
Wir folgen dem mittleren Weg nach Entraque zurück. Die erste Abzweigung lassen wir rechts liegen, an der zweiten
biegen wir rechts ab, kommen über eine Brücke und folgen dem Maultierpfad. Der Weg führt bis in den Ort hinein durch
wunderschöne Wiesen. Es blühen viele Blumen und Orchideen.
Zurück in Entraque genießen wir einen Kaffee auf dem Marktplatz, dann geht es zum Auto und wir fahren nach Santa Anna.
Auf dem dortigen Campingplatz bauen wir unser Zelt auf und genießen den ruhigen Abend.
Mittwoch 26.6.2013
Wanderung von Santa Anna zum Refugio Livio Bianca. Der Aufstieg beginnt in Santa Anna hinter dem privaten Refugio.
Der Weg führt in Serpentinen durch den Wald und bietet immer wieder schöne Ausblicke auf den Bach links vom Weg.
Mal plätschert er ganz leise durch den Wald und an anderen Stellen wir er zu einem tosenden Wildbach mit
kleinen Wasserfällen.
Der Weg ist zum Teil noch gepflastert. Wohl aus der Zeit, als Königin Ellena hier hoch ging,
oder auf einem Maultier geritten ist. Sie hat einige Zeit am Refugio Bianca verbracht und dort auf dem See geangelt,
während ihr Mann König Vittorio Emanuelle II auf der Jagd war.
Der Weg ist zum Teil etwas ausgesetzt und wieder mit Schotter gefüllt, was das laufen erschwert. Auf halber Strecke
weitet sich der Weg zu einem Hochtal. Wir lassen den Wald hinter uns und es geht jetzt über Wiesen, durch
Schaf- und Kuhherden weiter. In dieser Jahreszeit blühen hier viele Blumen.
Nach etwa vier Stunden kommen wir am Refugio Livio Bianco an. Bei einem Glas Rotwein und
einem schönen Blick von der Hütte auf den See lassen wir den Abend ausklingen.
Donnerstag 27.6.2013
Heute gönnen wir uns einen Pause- und Aklimationstag. Wir machen eine kleine Wanderung zu zwei kleinen Seen oberhalb der Hütte. Durch Preiselbeeren, die leider noch nicht reif sind, und Kriechwacholder geht es den Berg hinauf. Rechts und links des Weges wachsen wilde Stiefmütterchen und der Almrausch steht in voller Blühte. Nach etwa 20min führt der Weg über ein Geröllfeld, das zweimal gekreuzt werden muss. Danach geht der Weg weiter durch viele Blumen. Gekennzeichnet ist er die ganze Zeit durch kleine Steinmännchen. Auf 2050m haben wir ein schönes Plätzchen unter Lärchen und zwischen Preiselbeeren gefunden. Hier verbringen wir einige Zeit, lauschen den Wasserfällen in der Nähe und den Vögeln. Gelegentlich pfeift auch ein Murmeltier.
Am Nachmittag geht es auf dem gleichen Weg wieder zurück zur Hütte. Abends hat es sich zugezogen. In der Ferne hört man den Donner grollen und es fällt etwas Regen. Laut Hüttenwirt soll das Wetter am morgigen Tag gut sein. Das ist auch wichtig, da wir über den "Col de Paur" zum Refugio Questa wollen. Es soll auf dem Weg viele Gämsen und Steinböcke geben. Ich bin ganz gespannt.
Freitag 28.6.2013
Heute sind wir früh aufgestanden und schon um 7:00 Uhr losgewandert. Das Wetter verspricht hervorragend zu werden. Die Sonne strahlt und der Himmel ist blau, kein Wölkchen weit und breit zu sehen. Wir gewinnen rasch an Höhe und haben immer wieder schöne Blicke auf die Ref. Bianco und das Valle della Meris.
Nach ca. zwei Stunden sind wir am Lago della Sella angekommen. Auf dem See ist noch sehr viel Eis. Hinter dem See geht es durch einen Einschnitt zwischen zwei Bergkämmen weiter zum Colle della Valletta.
An einem Hang steht eine Gemse. Ich habe sie nur gefunden, da sie beim Laufen ein paar Steine losgetreten hat. Nach drei Stunden erreichen wir immer noch bei herrlichem Wetter den Pass. Aber da ist eine merkwürdige Wolke unter uns.
Hier treffen wir auf den schön gepflasterten Maultierweg, der im Reiseführer beschrieben ist. Auf diesem Weg geht es weiter. Kurz hinter dem Pass treffen wir auf Schneefelder und der Weg ist nicht mehr zu erkennen, auch die Wegmarkierung verschwindet unter dem Schnee. Hier holen uns die drei Italiener (Simone, Barbara und Franco) die auch im Refugio übernachtet haben ein. Zusammen haben wir eine ganze Stunde Karten studiert und die Landschaft beobachtet, um den weiteren Weg zu finden. Barbara und Franco entscheiden wieder zurück zu gehen. Wir wollen mit Simone weitergehen, da er den Maultierpfad hinter einem Schneefeld wieder gesichtet hat. So geht es jetzt eine ganze Weile weiter. Schneefelder, suchen nach dem Weg und in den Spuren anderer weiter gehen. Um etwa 14.00 Uhr schlägt das Wetter um, Wolken kommen auf, es bezieht sich und Nebel kriecht den Berg hoch. Wir gehen aber trotzdem weiter, da wir den Colle della Paur fast erreicht haben.
Der Weg zum Pass führt über Schnee. Wir konnten den Weg zum Teil nur finden, da am Tag zuvor ein Schweizer in endgegengesetzter Richtung diesen Weg gegangen ist. Seine Spuren im Schnee waren zu erkennen und wir sind ihnen gefolgt. Auf den letzen Metern zum Pass kommen wir wieder über Schneefelder, diesmal mit ca. 40° Steigung. Oben angekommen erwartet uns Nebel und Schneefall. Wir gönnen uns nur eine kurze Pause und essen einen Müsliriegel. Der Abstieg ins Tal führt uns wieder über Schneefelder und diesmal auch Felsblöcke mit etwas Kletterei. Ein Weg war nicht zu erkennen, auch die Wegmarkierung fehlte völlig. Orientiert haben wir uns mithilfe unserer Karten, des GPS und der Umgebung. Irgendwann kommen wir auf den Weg N27. Hier ist zum Teil ein Weg erkennbar, trotzdem haben wir uns erst einmal verstiegen und sind zu weit ins Tal gegangen. Nach einigen Metern bemerken wir den Fehler und finden etwas weiter oben den Weg wieder. Wir kommen wieder besser voran. Das Wetter ist zwar nicht so schön, dichter Nebel und hohe Luftfeuchtigkeit, aber der Weg ist jetzt gut zu erkennen, die Schneefelder werden weniger. Nach den ersten Kehren treffen wir auf ein Steinbockpärchen. Am Ende des Weges kommen wir auf die Militärstraße. Sie führt uns bis zum Lago Valscura. Von hier geht es jetzt aufwärts zum Refugio Questa. Nach den ersten Kurven treffen wir auf den nächsten Steinbock. Er leckt am Putz eines verfallenen Militärgebäudes. Der Putz enthält Mineralien, den die Tiere benötigen.
Da wir höher kommen haben wir wieder Schnee und der Weg ist wieder kaum zu erkennen. Gegen 18.30 Uhr erreichen wir dann den Lago della Claus. An einer Wegkreuzung finden wir ein Schild "Ref. Questa 20min". Wir freuen uns riesig fast am Ende dieser doch anstrengenden Wanderung angekommen zu sein.
Aber wir täuschen uns. Kurz nach der Wegkreuzung verlieren wir den Weg ganz, keine Markierung, keine Steinmännchen, keine Spuren. Um uns nur Schnee und Nebel. Wir sind im "white out" und keine Ahnung in welche Richtung es weitergeht. Wir laufen eine ganze Weile den Berghang entlang über Schneefelder und Steinblöcke. Immer wieder versuchen wir mithilfe von Karte, Kompass und GPS den Weg zu finden, aber es gelingt uns nicht. Auf einem der Schneefelder ist Helmut dann auch noch abgerutscht. Es ist zum Glück nichts passiert. Als Simone und ich dann bei ihm waren, haben wir wieder ein Stück des Weges gesehen, das nicht vom Schnee bedeckt war. Aber der Neben war inzwischen so dicht, dass die Sichtweite maximal 50m betrug. Als letzten Versuch haben wir die Koordinaten der Hütte möglichst genau aus der Karte abgelesen. Nachdem die Daten in GPS-Gerät waren sagte es uns noch 375m bis zum Ziel. Wir waren alle körperlich und auch psychisch am Ende und verlassen uns fast blind auf das Gerät. Wir klettern einen kleinen Grad hoch, auf der anderen Seite Schnee und Felsen. Wir gehen weiter. Auf einmal taucht vor uns aus dem Nebel ein Umriss auf, das ist kein Felsen, das kann nur die Hütte sein. Um 21.30 Uhr erreichen wir nach 14 Stunden Wanderung glücklich und total erschöpft die Berghütte. Der Hüttenwirt ist schon auf der Suche nach uns, aber mit dem Einbrechen der Dunkelheit ist er zum Refuge zurückgekommen. Die Leute dort sind sehr nett und so bekommen wir um 22.00 Uhr noch etwas Warmes zu Essen und ein Glas Rotwein. Jetzt erst mal schlafen und am nächsten Tag sehen wie es weitergeht. Ich für meinen Teil habe die Nase gestrichen voll von Schnee, Schneefeldern und Winter. Ich wollte doch eine schöne Sommerwanderung machen.
Samstag 29.6.2013
Nach der gestrigen Wanderung gönnen wir uns heute einen Pausetag. Die Schuhe sind quatschnass und stehen in der Sonne zum Trocknen.
Helmut kann seine Blasen an den Füßen heute pflegen und wir beide unsere geplagten Schultern. Ich sitze den ganzen Tag in der Sonne genieße die Ruhe und die Wärme. Das ist Entspannung pur!! Um die Hütte lebt ein Hermelin. Ich habe es einige Male mit dem Fotoapparat verfolgt, aber es ist sehr schnell und lässt sich nicht fotografieren.
Morgen wollen wir ins Tal absteigen, an der Therme kurz Stopp machen und dann weiter nach Santa Anna.
Sonntag 30.6.2013
Heute geht es ins Tal nach Santa Anna. Die Schuhe und Socken sind trocken und so können wir wieder losmarschieren. Zuerst geht es, man glaubt es kaum, wieder über ein Schneefeld. An der nächsten Weggabelung rechts halten und im Hang geht es in Serpentinen ins Tal. Wir queren einige Wasserfälle und der Weg ist zum Teil im Bachbett.
Langsam zeigen sich die ersten grünen Flecken. Bald gibt es Kriechwacholder und Preiselbeeren, dazwischen immer wieder wilde Stiefmütterchen.
Je tiefer wir kommen, desto grüner und bunter wird es um uns herum. Es kommen die ersten Lärchen, an denen gerade die Knospen aufgehen. Die Sonne strahlt von einem fast wolkenlosen Himmel und die Temperaturen steigen. Bald weitet sich das Tal und der Weg führt uns an einem Bach entlang durch grüne Wiesen. Kurz vor einer Brücke machen wir am Bach Rast, liegen in der Sonne, genießen die Wärme und baden die Füße im eiskalten Wasser.
Nach einer ganzen Weile brechen wir wieder auf. Es geht weiter zum Ref. Valasco, dem ehemalige Sommersitz von König Vittorio Emanuelle II. Hier hat er sich oft zur Jagd aufgehalten und viele Personen empfangen. Im Refuge gib es eine Menge Fotos aus dieser Zeit. Um das Refuge weiden Kühe und man kann dort frische Butter und Käse kaufen.
Wir gehen weiter die alte Militärstrasse entlang ins Tal hinab zur Therme di Valdieri. Hier haben wir Glück und bekommen eine Mitfahrgelegenheit nach Santa Anna. Gegen 16.00 Uhr sind wir wieder zurück auf dem Campingplatz. Wir freuen uns auf eine warme Dusche, Erbsensuppe vor dem Zelt und ein gutes Glas Rotwein an der Bar.